Warum und wofür wir ein analoges Kopierwerk brauchen
Eine Initiative von Österreichs FilmkünstlerInnen
Kommentar, Februar 2020
Zurück zu den Anfängen?
von Nina Kreuzinger
Nachdem die Errichtung eines "Film Preservation Centers" auch im neuen Regierungsprogramm festgeschrieben steht (S. 25), folgten Anfang dieses Jahres wieder Medienberichte zum Thema. Die Vertreter von FAA und ÖFM bekundeten erfreulicherweise das Einvernehmen hinsichtlich einer gemeinsamen Lösungsfindung – mit auffälliger Betonung der „Beziehungsebene“.
Auf Sachebene gibt es – bis auf die Höhe des gewünschten Budgets – indes keine Neuigkeiten bzw. Konkretisierungen. Die vermittelten Informationen erinnern vielmehr an den „Status quo 2016“ – zumindest im Hinblick auf die Vor-Stellungen bezüglich Standort, Architektur und Organisationsstruktur.
Der Stand der Dinge hinsichtlich der Aktualisierung des "Film Preservation Center"-Konzepts (siehe Beantwortung der parlamentarischen Anfrage) wurde nicht thematisiert. Verwiesen wurde auf die Studie „Analyse des IST-Zustands der Archive FAA und ÖFM“, erstellt im Jahr 2015 (siehe weiter unten). In dieser ist auch folgendes Zitat zu finden: „Jedes Mal, wenn man sich zu sehr auf technische Fragen fokussiert, lenkt man von wesentlichen Fragen und dem Fehlen einer Strategie ab.“
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Medienberichterstattung, Jänner/Februar 2020
Kulturpolitik: Warum ein Film Preservation Center gebraucht wird, Kurier, 3.2.2020
Pläne für Film Preservation Center, Ö1, 22.1.2020
Türkis-Grün hat viel vor mit dem Film, Wiener Zeitung, 9.1.2020
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Medienberichterstattung, Jänner/Februar 2019
Das digitale Dilemma, Kommentar von Dirk Alt (dt. Historiker und Dokumentarfilmer),
in "Der Standard", 29.1.2019:
"Für die Zukunft des Analogfilms in Europa dürfte Österreich eine bedeutende, wenn nicht ausschlaggebende Rolle spielen. Es geht hierbei um wesentlich mehr als nostalgische Filmbetrachtung über ratternde Projektoren; es geht um die Frage der Wissensspeicherung und darum, inwieweit wir unser Gedächtnis und die Fähigkeit zur kollektiven Selbstvergewisserung vom Digitalen abhängig machen wollen. Man darf daher auch in Deutschland gespannt sein, welche Taten die Österreicher ihrer Ankündigung folgen lassen."
Mit Verlust ist zu rechnen, Kommentar/Replik von Michael Loebenstein (Direktor des Österreichischen Filmmuseums), in "Der Standard", 5.2.2019:
"Es ist meines Erachtens unabdingbar, auch hierzulande eine ,hybride' Lösung anzustreben: analoges Know-how aus konservatorischen Überlegungen und angesichts einer starken künstlerischen Filmszene zu bewahren und parallel dazu in den Aufbau einer auf offenen Standards basierenden digitalen Langzeitsicherung zu investieren."
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Medienberichterstattung, Dezember 2018
„Forever Film“: Die Kinoschätze, die man nicht streamen kann, Andrey Arnold in "Die Presse", 17.12.2018:
"In Österreich könnte man ein Zeichen setzen: Schon 2015 plante das Kulturministerium ein ,Film Preservation Center', 2017 sollte es in Betrieb gehen. Getan hat sich seither nicht viel. Loebenstein sieht die gegenwärtige Haltung der Politik zum Projekt als wohlwollend, aber ,unklar'. Die Zeit drängt, denn die Speicher sind voll: ,Wir spielen längst Tetris mit unseren Beständen."
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Medienberichterstattung, November 2018
Zum Film Preservation Center im Nachrichtenmagazin "Profil":
Interview von Stefan Grissemann mit Kulturminister Blümel.
profil: Im schmalen Kulturteil des Regierungsprogramms fand sich vor bald einem Jahr auch der Wunsch, das lange diskutierte, von der Kunstszene dringend benötigte Analogfilmlabor, das Film Preservation Center zu etablieren. Seither nur Schwiegen. Ich nehme an, es wird noch evaluiert?
Blümel: Ja, wird es.
profil: Und wann wird es spruchreif?
Blümel: Sobald wir Ergebnisse haben.
profil: Keine Deadlines? Das darf auch Jahre dauern?
Blümel: Wir haben uns intern zum Ziel gesetzt, 2019 festzulegen, wie und wo das Film Preservation Center entstehen soll. (...)
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Medienberichterstattung, Dezember 2017
Kurz vor der Angelobung wurde das neue Regierungsprogramm 2017 bis 2022 veröffentlicht. Das Kunst- und Kulturprogramm der neuen türkis-blauen Regierung nimmt 5 von insgesamt 182 Seiten ein.
Auf Seite 94: "Bekenntnis zur Errichtung eines Analogen Film-Preservation-Centers als einem von nur wenigen europäischen Standorten für die Archivierung, Entwicklung und Restaurierung analogen Filmmaterials"
Wo, wann, was, wie genau, durch wen und mit wem – bleibt weiterhin im Dunkeln.
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Kommentar, November 2017
Interessenpolitik im österreichischen Film
von Nina Kreuzinger
Zwei Jahre lang ist Steuergeld in u.a. Studien und Berater, Maschinenkäufe und Lagerkosten, interne Konferenzen und Mediationsgespräche geflossen – bis dato noch ohne Ergebnis bzw. ohne konkrete Umsetzung hinsichtlich des Erhalts des heimischen Filmkulturerbes und der grundlegenden Handwerkstradition, die vom Aussterben bedroht ist. Nach wie vor fehlt eine Strategie bezüglich Langzeitarchivierung – analog wie digital. Gleichzeitig werden heimische Fördergelder für aktuelle Analogproduktionen in Kopierwerken im Ausland abgesetzt.
Dabei hat es im Mai 2017 so ausgesehen, als würden die monatelangen Bemühungen auf eine Zielgerade führen. Im Rahmen einer ARGE-Sitzung mit u.a. Vertreter*innen der Filmarchive, von ORF, Mediathek, dem Österreichischen Filminstitut (ÖFI), vom Land NÖ und der Stadt Wien sowie Filmschaffenden präsentierten Bundeskanzleramt-Beamt*innen die Pläne für ein Film Center in Wien und ein neues Filmdepot in Laxenburg/NÖ. Im Sommer folgten Interventionen seitens Vereinsebene, die Kulturminister Drozda soweit beeinflussten, das von ihm im Februar 2017 als beschlossen angekündigte Projekt auf Eis zu legen (s. Profil-Artikel unten). Wie und weswegen es möglich war, dass der Zwischenruf eines Vereinsfunktionärs scheinbar fixe Ministeriumspläne ins Wanken bringen konnte – ist fragwürdig.
Schließlich wollte sich auch "die Stadt Wien" nicht mehr für die Initialförderung eines zentral gelegenen Film Center-Standorts engagieren. Die ÖFI-geförderten Produzent*innen, die aktuell DCPs als Sicherungskopie in Laxenburg verwahren lassen, fürcht(et)en um Budgetverluste zugunsten der Filmsicherung. Die Idee der indirekten Finanzierung im Hinblick auf die laufenden Kosten hat sich nicht herumgesprochen – wie andere Informationen aus dem Finanzierungsplan auch nicht, die politischen Querschüssen möglicherweise strategisch-präventiv zuvorkommen hätten können.
Der Regierungswechsel hat sich schon länger angekündigt. Dass die Vertreter der subventionierten Filminstitutionen unter diesen Vorzeichen nicht zusammengewirkt haben, lässt vermuten, dass es doch immer weniger um die Film-Sache ging als um ureigene Interessen und ungelöste Konflikte. Im BKA wurde verabsäumt, sich mit Unterstützung von unabhängigem Expertenwissen und durch transparente Kommunikation aus der Verstrickung zu befreien. "Abwarten" heißt es hier jetzt.
Damit werden auch Initiativen, die sich dafür einsetzen, Film als Kunst zu behandeln und im Originalformat zu bewahren, die Hände gebunden. Derweil arbeiten die Fördernehmer des Filmarchivs offenbar weiter daran, ihren Ursprungswillen letztlich durchzusetzen: ein hauseigenes Labor in Laxenburg – anstelle eines zentral gelegenen, professionell konzipiert und geführten, unabhängigen Kopierwerks. Im Filmmuseum wurde dafür vielleicht neues Scan-Equipment auf der Wunschliste vermerkt.
Bleibt zu hoffen, dass die hausgemachte politische Trendwende auf lange Sicht zumindest einen positiven Effekt innerhalb der Filmszene erzielt, nämlich: dass irgendwann einmal an einem Strang in die gleiche Richtung gezogen wird. Wenn auch schade, wenn erst "der gemeinsame Feind" zu verbinden vermag.
P.s. Ein wesentliches Zeitfenster schließt sich. Das deutsche Bundesarchiv etwa hat kürzlich beschlossen, zwei "Scanstrecken" zu installieren. Mit Inbetriebnahme wird die Filmsicherung nun vollständig digital erfolgen. In Schweden gelang es zwar, das zentrale Kopierwerk staatlich weiter zu betreiben – hier fehlt es allerdings bereits jetzt an Fachpersonal.
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Zwei Info-Links bezüglich der vergleichenden Kostenfrage der Langzeitarchivierung analog vs. digital
https://spectrum.ieee.org/computing/it/the-lost-picture-show-hollywood-archivists-cant-outpace-obsolescence
https://www.oscars.org/science-technology/sci-tech-projects/digital-dilemma
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Medienberichterstattung August 2017
Hintergrund-Infos zum Film Preservation Center im Nachrichtenmagazin "Profil":
Interview von Stefan Grissemann mit Alexander Horwath, dem scheidenden Direktor des Öterreichischen Filmmuseums.
profil: Das viel diskutierte Preservation Centre wäre eine Chance, Filmkopien weiterhin in Österreich herzustellen und zu sichern: Kulturminister Drozda aber hat die geplante Gründung eines Analogfilmlabors und Kopierwerks nun, auf Intervention von Hans Hurch und Filmarchiv-Chef Ernst Kieninger vor wenigen Wochen, so weit aufgeschoben, dass die Entstehung der Institution äußerst fraglich erscheint.
Horwath: Es wäre sehr kurzsichtig, diesen Plan jetzt fallen zu lassen. Hier sollte ein neutrales, sachlich unumstrittenes Projekt in öffentlicher Trägerschaft entstehen, das für Filmmuseum und Filmarchiv, für die Filmförderung wie für die unabhängige Filmkunst gleichermaßen Sinn ergibt und konstruktiv erarbeitet wurde. Dass so etwas öffentlich angekündigt und dann wieder abgesagt wird, weil das Filmarchiv Austria seine individuellen Machtinteressen offenbar gegen das Interesse der Allgemeinheit in Anschlag bringt, wäre mehr als deprimierend. Nach dem Motto: "Wenn es nicht mir gehört, soll es gar nicht existieren." Die Chance, das Medium Film zu überliefern, ist jedenfalls intakt - und dazu könnte auch die Republik Österreich beitragen. Der Kodak-Konzern hat seine Linie geändert, Regisseure wie Christopher Nolan, Quentin Tarantino und Martin Scorsese drehen und kopieren – wie zahllose Kunstschaffende weltweit – weiterhin analog, und immer mehr Kinos promoten ihre Angebote mit dem Hinweis, dass sie keine Files, sondern Filmkopien zeigen. Die "meisten Menschen" werden erst mit der Zeit merken, wie eigenständig das digitale Medium funktioniert. Der Film hat einst auch, zum Zweck seiner allgemeinen Durchsetzung, viele Aspekte der Vorgängermedien wie Theater, Varieté oder Zauberkunst übernommen und transformiert. (...)
Quelle: Profil 35/2017, S. 76; online: https://www.profil.at/kultur/alexander-horwath-filmmuseum-kino-8287832
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Interview von Stefan Grissemann mit Kulturminister Thomas Drozda.
profil: Was ist nun mit dem Film Preservation Center? Die operative Führung hätte doch bis Juni ausgeschrieben werden sollen. Die Bauphase sollte bereits laufen.
Drozda: Wir sind da leider hinter dem Zeitplan. Das hängt auch damit zusammen, dass Hans Hurch kurz vor seinem Tod noch bei mir war, um die geplante Struktur dieses Analogfilmzentrums zu besprechen. Das Gespräch hat mich so nachdenklich gemacht, dass ich mein Team gebeten habe, den Plan noch einmal auf seine Praktibilität zu durchleuchten.
profil: Es ging um die Standortfrage?
Drozda: Ja, aber auch um die Frage, an welche Institution man es andockt – und um die Gesellschaftskonstruktion. Hurch hat mich daran erinnert, dass ich einmal gesagt hatte: „Keep it simple.“ Und was ich da vorhätte, sei nicht mehr „simple“. Wir müssen zudem das Geschäftsmodell, auch die Wahrscheinlichkeit von Auslandsaufträgen, neu überprüfen.
profil: Diese Verzögerung gefährdet das Projekt nun. Das hätten Sie noch vor der Wahl in gangbare Wege leiten müssen.
Drozda: Meinetwegen hätte es keine Neuwahlen geben müssen, diese Entscheidung hat der junge Mann getroffen. Mit den Konsequenzen müssen wir nun leben. (...)
Quelle: Profil 34/2017, ab S. 86; online: https://www.profil.at/kultur/kulturminister-drozda-interview-8270060
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Medienberichterstattung, Mai 2017
"Zelluloid bröselt" in Die Presse, 1. Mai 2017, von Andrey Arnold:
http://diepresse.com/home/kultur/film/5210086/Zelluloid-broeselt_Wie-bewahrt-man-die-Bilder
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Medienberichterstattung, April 2017
"Rollenspiele. Streit um die Erhaltung des filmischen Erbes. Ein kleines Sittenbild der österreichischen Polit- und Kunstszene", Profil 18/2017, von Stefan Grissemann:
https://www.profil.at/shortlist/kultur/rollenspiele-filmarchiv-8116899
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Medienberichterstattung, Februar 2017
"Drozda fixiert Pläne für Film Preservation Center Austria" im Profil am 13.2.2017: https://www.profil.at/kultur/analogfilmlabor-entwicklung-film-preservation-center-drozda-7983497
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Positionspapier, Jänner 2017
Zum Modell der "Servicegesellschaft zum Erhalt des österreichischen Filmerbes als eigenes Rechtsobjekt" – Überlegungen für eine Machbarkeitsstudie –
von Josef Kloucek, Nina Kreuzinger und Hans Christian Leitich.
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Medienberichterstattung, Oktober 2016
"Mit Verlust ist zu rechnen" im Profil 42/16 , von Stefan Grissemann
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Basisdokumente
Analyse des Ist-Zustands der Archive „Filmarchiv Austria“ und
„Österreichisches Filmmuseum“ plus Folgenabschätzung im Kontext struktureller Änderungen / Vom BKA in Auftrag gegebene Studie, erarbeitet von paul und collegen, veröffentlicht im Oktober 2016.
Kapitel 7: Empfehlungen (ab Seite 124)
Gemeinsame Position von FAA und ÖFM, 26.1.2016
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Statement-Aktion, Juli 2016
Sehr geehrter Bundesminister Mag. Thomas Drozda!
Die plötzliche Schließung der Synchro-Film, Österreichs letztem Kopierwerk für 16mm und 35mm, sorgt bei uns analog arbeitenden Filmemacher*Innen für Entsetzen und Verunsicherung. Dabei geht es längst nicht nur um Projektplanungs- und Kostenfragen, sondern vielmehr um die Zukunft unserer künstlerischen Identität. Das digitale Medium ist mit dem analogen nicht zu vergleichen. Der analoge Filmstreifen ermöglicht eine Handhabung und Ausdrucksweise, die im Digitalen nicht gegeben ist. Der weltweite Niedergang des Kopierwerksbetriebes bedeutet außerdem nicht nur das Ende eines Stücks Industriegeschichte, sondern auch den Verlust einer Kulturtechnik, von Know How aus 121 Jahren Filmgeschichte.
Die Erfolgsgeschichte des Österreichischen Films ist untrennbar mit dem Medium des analogen Films verknüpft. Seit den Pionierzeiten in den 50er-Jahren gilt Österreich bis heute weltweit als Zentrum der Avantgarde, in dem das Medium Film mit und in seiner Materialität ausgelotet wird.
In Hollywood setzen sich unter anderen Steven Spielberg und Quentin Tarantino für den Fortbestand der analogen Produktion ein, auch in Österreich engagiert sich eine lebendige Filmszene, die das Kulturland international repräsentiert. Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Statements namhafter Filmkünstler*Innen unterschiedlicher Generationen sowie von VertreterInnen von Institutionen und Filmschulen, in denen das analoge Handwerk nach wie vor gelehrt und gelernt wird.
Im Hinblick auf die Restauration und Bewahrung des Filmerbes sowie im Sinne der gegenwärtigen Kunstproduktion ersuchen wir Sie dringlich um Erhalt und Sicherstellung eines analogen Kopierwerkbetriebes in Wien. (NK)
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"Wir brauchen ein analoges Kopierwerk, unsere Filmkultur darf nicht verschwinden."
VALIE EXPORT, Medienkünstlerin, Frauen-Lebenswerk-Preis 2015
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"Auch wenn es elektronische Bücher gibt, so brauchen wir doch Menschen, die analoge Bücher lesen, archivieren, restaurieren und scannen können. Beim Film ist das nicht anders. Daher brauchen wir ein Kopierwerk wie die Synchro-Film – am besten als europäisches Kompetenzzentrum für den analogen Film und seine nun schon 121 Jahre lange Filmgeschichte."
Virgil Widrich, Autor & Regisseur, Oscar-Nominierung
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"Technisches Wissen zu erwerben braucht viele Jahre, es zu zerstören nur wenige Momente. Werden technischen Geräten nicht benützt, sind sie sehr bald Sondermüll. Sollte sich die Entwicklung, die sich in den USA abzuzeichnen beginnt, weiter fortsetzen, dann wird die österreichische Filmbranche einen Ort für analoge Filmproduktion und für die filmische Archivierung digitaler Bilder dringend benötigen."
Lisl Ponger, Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst, Filmschaffende
*** uvm., siehe PDF ***
Die persönliche Übergabe an Minister Drozda erfolgte gemeinsam mit Friedl Kubelka / vom Gröller am 6. Juli 2016.
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Kommentar, 1. Mai 2016
Doch keine Rettung: „Das war es dann mit 16mm in Österreich“
von Nina Kreuzinger
Die Hoffnung ist dahin. Es gibt doch keine Rettung. Am Freitag wurde die Analogabteilung der Wiener Synchrofilm endgültig geschlossen. Am Mittwoch wird die Chemie geholt, am 11. Mai der Hauptschalter ausgedreht. „Das war es dann mit 16mm in Österreich“, verabschiedet sich Willi Reschke. Und meint den analogen Film überhaupt. Der langjährige Leiter des Analoglabors übersiedelt bereits nach Berlin. Sein unbezahlbares Know How mit ihm. Das noch dazu mit folgender Aussicht: „Ich werde schon Arbeit finden, nur vermutlich nicht mehr beim Film,“ so Reschke.
In Österreich gibt es ab sofort kein Kopierwerk für 16 und 35mm mehr. Anfang März wurde bekannt, dass das Traditionsunternehmen der Familie Wieser insolvent ist. In anderen europäischen Ländern wurden die letzten Kopierwerke vom Staat erhalten. Auch hier sollte es weitergehen. Bis zuletzt stand im Raum, dass die heimischen Filmarchive an einer Lösung arbeiten würden, das Filmarchiv Austria etwa konkret plane, die Analogabteilung zu übernehmen. Um den Erhalt, die Restaurierung und Zugänglichkeit des wichtigsten Mediums der letzten 120 Jahre zu gewährleisten. Um den FilmemacherInnen von heute und morgen die Arbeit mit analogem Material weiter zu ermöglichen.
Immerhin wird dieses Handwerk an den Filmschulen in Österreich noch gelehrt. Immerhin gilt Österreich weltweit als eines der Zentren des analogen Avantgardefilms. Irritierend: das Schweigen der Kulturpolitik, der „Big Names“ in der Branche, die sonst gern im Hintergrund Fäden ziehen. Jetzt wird analoger Film zum Luxus, den sich in erster Linie nur mehr ausgewählte Fördernehmer*innen leisten werden können. Zuletzt wurde im Gartenbaukino das jüngste Analogwerk von Quentin Tarantino auf 70 mm-Film gezeigt. Und damit der Unterschied zwischen dem analogen Korn und dem digitalen Pixel. Es geht jedoch keineswegs nur um Ästhetik, sondern vielmehr um eine Haltung.
Weswegen war den heimischen Filminstitutionen, Archiven, Museen, Festivals, Kinos, Produktions- und Verleihfirmen (bislang) kein gemeinsamer Rettungsgriff möglich? Auf der Homepage der Synchrofilm gibt es keine Stellungnahme zu den traurigen Tatsachen. Zu finden ist ein Zitat von Steven Spielberg aus The Guardian: „(...) Today, its years are numbered, but I will remain loyal to this analogue artform until the last lab closes.“
Dank der Familie Wieser, Willi Reschke und allen MitarbeiterInnen der Synchrofilm.
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Kommentar, November 2015
Gedanken zum Avantgarde-Begriff in der österreichischen Filmkunst.
von Nina Kreuzinger
Kühle im großen Saal des Gartenbaukinos beim österreichischen Kurzfilmprogramm im Rahmen der Viennale: Formale Effekte und intellektuelle Konzepte überwiegen. Im anschließenden Gespräch lehnen die Filmschaffenden, vier Männer und zwei Frauen, an der Bühnenwand vor internationalem Publikum. Sie sprechen, nicht alle in Englisch, über ihre Werke, über ihre Techniken und Zugänge, die einem "innovativen" Anspruch entsprechen wollen. Sie stehen für die österreichische "Avantgarde" 2015. In ihrer Haltung ist vom ursprünglichen Avantgarde-Esprit nichts zu spüren. Keine Vorhut, die sich mutig und radikal gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Normen gegenüberstellt. Im Gegenteil. Die Avantgarde von heute scheint selbst normiert wie nie zuvor. Filmemacher, Kuratoren und Jurys fokussieren rationale Zugänge und technische Trends, die auf hierarchischen Ideen fußen und weniger auf ideellen Werten, Ästhetik, Emotion.
"Schneller, weiter, höher“, das nahezu Technokratische in der aktuellen Filmkunst braucht finanzielle Sprungbretter, die wiederum einem bestimmten Kreis vorenthalten bleiben. Die selektiven Prozesse finden in engmaschigen Netzwerken statt, Karrieren werden hier auch gemacht. Der Kunstfilm ist eben doch zur Ware geworden, zu einem Konsumprodukt, das sich auf Festivals genauso wie als hipper T-Shirt-Print verkaufen lassen will. Umso grotesker die Diskussion, in der sich die österreichische Film-Avantgarde abgrenzen will vom international gebräuchlichen Terminus Experimentalfilm. Denn dieser suggeriert angeblich „Versuchsanordnungen mit ungewissem Ausgang“. Doch auch klar konstruierter Film muss nicht gleich Avantgarde sein. Bezieht sich der Avantgarde-Anspruch nicht vielmehr auf Inhaltliches? Auf den Versuch, gesellschafts-relevante, politische Strömungen im Vorfeld zu erfassen, auch intuitiv kollektive Entwicklungen mithilfe künstlerischer Mittel greifbarer zu machen? Auf den Versuch, zu vermitteln und zu berühren, anzuregen und aufzufordern – emotional und geistig?
Identifikation, scheint es, findet heute vielmehr über begriffliche Fixiertheit als über persönliche Entwicklung und schöpferische Prozesse statt. Wer sich einen Namen gemacht hat, verharrt wohl lieber in der (materiell) gesicherten Truppe im Mittelfeld. Dabei hat es Peter Kubelka, ab den 1960er und 70er Jahren Dominator der filmischen Avantgarde, vorgemacht: Der restriktive Aspekt der konzeptionellen Reduktion auf Schwarz-Weiß-Denken führt zu einer Selbstbeschränkung auf vielen Ebenen. Das Konzept Kubelka ist tot, lebendig die empathische Voraussicht.